Versöhnungsreise Österreich - Tag 5
von Zen Zentrum (Kommentare: 1)
Mein geliebtes Wien?
5. Juli 2017- Ich sitze zu später Stunde auf dem Balkon meines Hotelzimmers. Es ist eine schwüle, perfekte Sommernacht. Das Riesenrad leuchtet majestätisch in der Ferne. Ich höre das Geschrei und die Begeisterung der Praterbesucher, die irgendwelche wilden Bahnen ausprobieren. So ungefähr könnte eine meiner unzähligen Wienabende ausklingen. Es ist aber diesmal eine andere Reise. In den letzten Tagen habe ich noch andere Schreie wahrgenommen und zwar aus einer nicht so fernen dunklen Zeit, die immer noch sehr stark in die Gegenwart hineinstrahlt. Hilfeschreie, die keiner oder nur wenige hören möchten. Manchmal wollte auch ich sie nicht hören, wollte nicht von diesem Schmerz berührt werden. Wenn sich die Geschichte nicht wiederholen soll, dann müssen wir hinhören, dann müssen wir spüren, uns berühren lassen und wir müssen Zeichen setzen. Wie schnell kann wieder ein Flächenbrand entstehen. Sicher, Hitler hat den Flächenbrand ausgelöst. Aber die Brandfackel haben sehr, sehr viele Menschen in der Hand gehalten, das sollten und dürfen wir nicht vergessen oder verharmlosen.
6 Juli 2017 - Ich sitze wieder auf dem Balkon meines Hotelzimmers. Es ist spät geworden. Ich schaue in die dunkle Nacht hinein. Ich versuche den Tag zu reflektieren. Thomas, unser Wiener Stadtführer, führte uns zur Gedenkstätte Steinhof, in welcher an die Geschichte der NS-Medizin, dem unsäglichen Eutanasie Programm, erinnert wird. Ohne Zweifel eines der dunkelsten Kapitel des Nazi-Regimes. Keine Nacht kann so dunkel sein! Es ist unerträglich und schwer. Anders kann man es nicht beschreiben. Thomas erzählt uns von seinem Engagement und Kampf für diese Opfer. Er bringt mit seiner Geschichte ein wenig Licht und Hoffnung in diese Dunkelheit. Ich bin sehr dankbar für jeden positiven und versöhnlichen Beitrag.
Ein wenig später, nachdem wir das Flüchtlingslager Traiskirchen aufsuchten, zeigt uns Thomas seine private Kraftquelle im Wienerwald, seine 'Hüttn'. Er singt einige seiner poetischen Lieder. Es sind nachdenkliche, gehaltvolle und starke Lieder. Sie geben Mut und Energie.
Ja, was bleibt übrig von meinem 'leichten' und selbstverliebten Wien, dass ich meistens im beschwingten ¾-Takt erleben durfte? Zurzeit nicht viel.
Der Ausklang des Tages findet in einem wunderschönen Heurigen in Gumpoldskirchen statt. Und ich spüre, wie im Laufe des Abends mein unbeschwertes Wien durch eine Hintertür in mein Leben wieder eindringen will. Ich kann die Tür nicht mehr ganz öffnen.
Christian Kaufmann
Kommentare
Kommentar von Alice Herbets |
Sehr geehrter Herr Hüppi
Ich bitte Sie meine e-Mail Adresse aus
Ihrer Liste zu entfernen.
Ich wünsche keine Maiös mehr.
Danke!
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