Versöhnungsreise Österreich - Tag 3

von Zen Zentrum (Kommentare: 0)

Ehemaliges Konzentrationslager Mauthausen

Wir sitzen am Boden, auf einem Haufen Granitblöcke. Vor dieser mächtigen Schalbetonwand, sie mündet mitten im Wachturm des ehemaligen KZ. Gedrückte Stimmung, Tränen in manchen Augen - und dieses Gefühl von Sprachlosigkeit. "Kannst du jetzt singen?!" - Fragt Anna mich. Ich nicke. Schaut's hin. Leise, zart. Meine Finger zittern. "Wohin geht die Angst, wenn wir sie verdrängen..."

Dann gehen wir los. In die dunkelgraue Festung, gebaut aus diesem so mächtig und bedrohlich wirkenden Mauthausner Granit. Wachtürme, Mahntafeln, Wegweiser.

Mir fehlen alle Worte. Ich will verstehen, es gelingt mir nicht.

Krieg. Legitimiert Gewalt. Schafft Systeme, die wie unaufhaltsame Dampfwalzen dahindröhnen, die Systeme finden ihre Erfüller, löschen Menschlichkeit und Moral aus. Ermächtigen die Dunklen unter uns ihre dann nicht mehr gehemmten, tiefsten Triebe auszuleben. Erlauben zugleich dem Einzelnen nicht, seine eigenen Entscheidungen zu leben. Ergreifen über Hierarchie, Appell, Propaganda, Standesrecht und Befehl die Macht. Die scheinbare Allmacht über alles. Über Leben und Tod.

Immer wieder ist es der Mensch, der exekutiert, der sich sein Handeln rechtfertigt. Ich weiß nicht, wie viele Menschen Adolf Hitler selbst ermordet hat. Ich weiß es nicht. Er erschuf ein anonymes, symbolisiertes System voller Macht - ohne es selbst zu tun. Und ich bin mir nicht mal sicher, ob er es wirklich selber schuf - oder ob er es es bloß erweckte, als ob er den Zündschlüssel fand, ansteckte, die (dunklen) Lichter gingen an, der Motor lief und alles setzte sich in Bewegung. Soweit ich in "Mein Kampf" hinein gelesen habe - war sein größter Fokus auf die Propaganda gerichtet, auf die "Kunst" der Gruppendynamik. Hier lebte er sein "Künstler Sein" pervertiert aus.

Und was daraus wurde, wissen wir. Ein Flächenbrand voller Lebensverachtung, eine Maschinerie des Mordens, Größenwahn und Weltkrieg. Völkermord. Kollektives Verbrechen.

Mir fehlen die Worte. Für das was hier war und ist. Es dröhnt in mir. Diese beiden Fragen beschäftigen mich: "Hätte ich hier als KZ Zwangsarbeiter überlebt? Hätte ich diesen Überlebenswillen gehabt?! Oder wäre ich hier wie zigtausende auch gestorben?" Die zweite Frage: "Hätte ich hier als SS Soldat das Ruder herum reißen können? Hätte ich mich den Befehlen widersetzt? Wäre ich Mensch geblieben - oder hätte ich auch mitgetan, gemordet?"

Die Übermacht der Systeme, der Staaten ist wie die Büchse der Pandora. Wenn menschengemachte Systeme sich verselbständigen, wenn charakterlose Psychopathen an die Hebel dieser Machtsysteme kommen - wenn die Gesetzmäßigkeiten der Massenpsychologie wirken, die Dummheit der Masse nach oben kommt - und Krieg ausbricht: Dann wird es Dunkel. Dann färben sich unsere Knochen schwarz.

Katharina sagte heute zu mir, dass die Spirale der Gewalt nur durch Unterbrechen der Gewalt aufzuhalten ist. Auch die rechte Backe hinhalten, wenn du auf die linke geschlagen wurdest.

Mir fehlen die Worte. Jeder Versuch der Erklärung führt in die Verwirrung, jeder Versuch zu verstehen, wie aus einem kleinem, geprügelten Bauernbuben eine solche Bestie namens Adolf Hitler werden konnte, wie ein ganzes System der Vernichtung seine Dynamik entfalten konnte...

Thomas Andreas Beck

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