MUSARA Philippines 1

von Maria-Christina Eggers (Kommentare: 3)

Ankunft und erste Begegnungen

Flughafen Manila! Wir sind angekommen, nach einem langen Flug. RITA holt uns ab. Sie ist Filipina, Zahnärztin und aktiv in einer NGO für Menschenrechte. Ihr Schwerpunkt ist die medizinische Versorgung von Folteropfern, Gefangenen und den Ärmsten der Armen. Sie arbeitet zusammen mit zwei weiteren NGO’s, die juristische Unterstützung geben und die Übergriffe und Tötungen dokumentieren. Das ist ein sehr wichtiger Teil im Einsatz für Menschenrechte. Nur so haben die betroffenen Familien jemals eine Chance auf Anerkennung des Unrechts, moralisch und finanziell. Die Organisationen werden durch die UNO in Genf und verschiedene europäische Einrichtungen finanziert.

Wir sind gebeten worden, für 20 aktive Mitglieder dieser NGO’s einen Workshop zu halten. Ihre Bitte war es insbesondere, sie selber zu stärken im Abbau von Stress und im Stärken ihrer eigenen Resilienz, ihrer Spannkraft.  In zweiter Linie möchten sie ein Instrumentarium in die Hand bekommen, mit dem sie weiter arbeiten können.

Die Brücke zu RITA ist eine philippinische Familie, der wir seit Jahrzehnten durch das Katharina-Werk eng verbunden sind. EMMA ist eine Frau, die beruflich Menschen in verschiedenen Notsituationen berät. Sie ist sozial und politisch leidenschaftlich engagiert. Ihr Mann ist ein Folteropfer der Marcos-Diktatur.

Ganz nah befindet sich ein Slum, in dem RITA und EMMA aktiv sind. Zurzeit sorgen sie sich um vier Jugendliche, junge Frauen, die einem Stipendienprogramm angeschlossen sind, finanziert durch Spenden u.a. aus dem Katharina-Werk. Ihre Väter wurden erschossen, auf offener Strasse, im staatlich durchgeführten sogenannten Kampf gegen Drogen. Noch konnten RITA und EMMA nicht Kontakt mit den Müttern aufnehmen, weil diese in harten und langen Arbeitstagen allein die Familie ernähren müssen. Doch nun ist es gelungen, dass drei von ihnen sich für eine kurze Zeit freinehmen konnten. Es geht um Kennenlernen, Vertrauensbildung, Motivierung. Ein kurzer Besuch ist möglich. Wir dürfen sie begleiten.

Der Slum , einer von vielen im Herzen dieser Stadt. Unbeschreibliches Elend. Endlos scheinen die Reihen grob zusammen gebastelter Verschläge, dazwischen ein Gewirr von kaum begehbaren steinig-sumpfigen Wegen. Unser erstes Ziel: Eine erbärmliche Hütte. Eine Schar kleiner Kinder tummelt sich auf dem Fussboden, manche sind aus der Nachbarschaft. Warum ist Ada, 14 Jahre alt, nicht zum letzten Stipendiatentreffen gekommen? „Wir waren in der Provinz” sagt die Mutter, selber noch jung, verlegen und hoffnungslos überfordert.

Wir verabschieden uns, gehen zum nächsten Ort. Eine etwas bessere Bleibe, mit Wänden aus Beton. Die Stipendiatin ist achtzehn, uns wurde gesagt, dass sie sehr verlässlich sei, viel Verantwortung übernehme. So wirkt sie auch auf uns, sicher und ruhig. Sie sagt, ihr Bruder habe nicht trauern können nach dem gewaltsamen Tod des Vaters, so als wäre nichts geschehen. Das sei wohl der Grund für den Suizidversuch, der danach kam.

Die dritte Familie. Beklemmende Enge, Schwere. Depressive Last. Selber fühle ich mich wie ein Eindringling. Die Mutter zeigt auf mehrere Einschusslöcher in den Fussbodenfliesen. Hier wurde der Vater erschossen, in seinem Haus, vor den Augen seiner vier Kinder. Auch diese Jugendliche kam nicht zum letzten Stipendiatentreffen. Auf die Frage, warum nicht, schrieb sie damals: „Weil unser Haus brennt.” Eine defekte Leitung. Sechzig Hütten sind abgebrannt. Die Familien haben alles verloren. Es gab viele Verletzte. Zwei Kinder starben.

Die vierte Stipendiatin besuchen wir nicht. Sie ist zu verstört, um in Kontakt zu treten. Ihre Ausbildung hat sie abgebrochen.

In der Zeitung ist an diesem Morgen eine Schlagzeile betreffend der “narco-list”. Eine grauenvolle Liste mit den Namen derer, die auf dem Tötungsplan stehen. Wir hören von Menschen, die auf dieser Liste standen, getötet oder verhaftet wurden und nicht das Geringste mit Drogen zu tun hatten.  Der Grund dazu sind Unliebsamkeiten, auch Denunziation in persönlichen Konflikten.  Es gibt keine Sicherheit.

Wir beginnen und beenden unseren Gang durch den Slum bei Father Daniel, einem französischen Pater, der seit 18 Jahren mittendrin wohnt. Im Slum gibt es fünf Kapellen. An jedem Sonntag hält er  dort Gottesdienst.  Er ist den Menschen spürbar nahe und wir können sehen, wie sehr sie ihn schätzen und ehren.  Er sagt: Filipinos haben von Natur aus eine hohe Resilienz. Sie sind gewohnt, mit Katastrophen zu leben. Aber dies ist zu viel!

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Kommentare

Kommentar von Bernhard Stappel |

ihr Lieben,
herzlichen Dank für die beeindruckenden Infos von den Philippinen.
Viele Grüsse
Bernhard Stappel

Kommentar von Ursula Huez-Galli |

Passt auf Euch auf!
Ursula Huez-Galli

Kommentar von Götz Schwirtz |

Mit grossem Respekt und liebender Hochachtung lese ich diesen Bericht.
Mein Zazen in diesen Tagen widme ich ganz Euch und Eurer Arbeit dort bei den Menschen mit diesen schweren körperlichen und seelischen Traumata.
Ich wünsche Euch so viel Kraft wie ihr braucht, um Hoffnung, Weg und Licht in diesen Menschen leuchten zu lassen. Möge Euch dort am anderen Ende der Welt Kraft aus unserer Übung hier in unseren warmen und sicheren Zimmern zuwachsen.
Mit tiefer Verneigung
Euer Götz

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