Kinshasa Symphony

von Zen Zentrum (Kommentare: 0)

Ein Impuls nimmt Gestalt an

Ein Impuls nimmt Gestalt an

Als ich vor einigen Monaten den Film "Kinshasa Symphony" im Kino sah, formte sich der Wunsch in meinem Herzen, dieses Orchester auf irgendeine Art und Weise zu unterstützen.  Zu sehen, wie in den Slums von Kinshasa, unter schwierigsten Bedingungen und mit grösster Kreativität und Erfindungsreichtum, den widrigen Umständen zum Trotz, sich ein Symphonieorchester formierte, wo Velobremskabel als Kontrabasssaiten dienten, da begann mein Geigenbauerherz höher zu schlagen.
Als ich mich dann durch schöne Fügungen der kleinen Friedens- und Versöhnungs-Reisegruppe anschloss, war mir sofort klar, dass ich nicht nach Kinshasa gehen konnte, ohne auch dieses Orchester zu besuchen. Zu meiner Freude waren die anderen Reiseteilnehmer ebenfalls von dieser Idee angetan. So startete ich ein Rundmail an alle Schweizer Geigenbauer mit einem Aufruf zu einer Instrumentensammelaktion! Und siehe da: innert dreier Wochen kamen 25 Geigen in verschiedenen Grössen sowie Bögen, Saiten, Partituren, eine Querflöte und Werkzeuge zusammen.

Schwierigkeiten, die sich in Luft auflösten

Und wie sollen so viele Instrumente transportiert werden? war die nächste Frage. Einer meiner Reisekollegen erklärte sich zum Glück bereit, mich in Sachen Transportabklärung zu entlasten. Schnell fand er eine Stiftung der  Brüssel Airline, welche sofort einwilligte, den Instrumententransport kostenlos durchzuführen. Wow, was für ein Glück! Alles lief wie am Schnürchen. Aber man soll sich nie zu früh freuen. Denn es gab noch einen Haken: unser Flug von Zürich nach Brüssel erfolgte mit Swiss, und da gelten eben andere Bedingungen... Das Übergepäck müsse bezahlt werden, so hiess es. Ein Briefwechsel erfolgte zwischen uns und der Swiss: Humanitärer Einsatz und Grosszügigkeit kontra offizielle Regeln, welche keine Ausnahme zuliessen.
Bis zum Zeitpunkt des Eincheckens blieb es ungewiss, wie viel wir für das voluminöse Zusatzgepäck zahlen müssten. Unsere innere Haltung in dieser Situation war: trotz einem offiziellen, dem Reglement entsprechenden Nein im Geiste und im Herzen offen zu bleiben, dass sich schlussendlich doch noch eine andere Möglichkeit ergeben könnte. Und so kam es denn auch. Eine unsichtbare Hand schien im Spiel gewesen zu sein. Beim Einchecken wurden wir überraschender Weise einem Businessschalter zugewiesen, wo zwei Gepäckstücke pro Person erlaubt sind und wir somit nichts zusätzlich bezahlen mussten.
In Kinshasa wurden wir gleich bei der Gepäckausgabe von zwei Orchestermitgliedern erwartet, welche im Flughafen arbeiten. Wie sie es arrangiert haben, dass wir so einfach, ohne überhaupt auf unser umfangreiches Gepäck angesprochen zu werden, den Zoll passieren konnten, werden wir wohl nie erfahren. Wir waren ganz einfach dankbar, dass alles so reibungslos verlief.

Ein Überraschungskonzert – Gebende werden zu Beschenkten

Am darauffolgenden Abend fuhren wir mit unserer kostbaren Fracht zum Probelokal des Orchesters. Einige Kinder übten eifrig auf ihren Instrumente. Für uns zum Empfang  oder natürliches Treiben? Und was für ein Anblick bot sich uns, als wir ins Probelokal geführt wurden! Orchester und Chor hatten sich eigens für diesen Anlass zusammengefunden, sassen alle spielbereit da, um uns mit einem Konzert willkommen zu heissen. Spätestens beim „Ombra mai fù“ aus Händels Oper Xerxes konnte ich mich nicht mehr zurück halten. Die Tränen flossen hemmungslos. Es war einfach überwältigend, zutiefst berührend, einmalig, herzöffnend, wunderbar! Mir fehlen noch immer die Worte! Was berührte war viel tiefer als unser Anspruch nach musikalischer Perfektion.
Irgendwie hatte die Grosszügigkeit der Gastgeber, uns mit ihrer Musik so zu beschenken, auch etwas Beschämendes für mich. Meine Motivation für diese Sammelaktion war, ihnen diese Instrumente zu bringen als kleine Geste,  symbolisch etwas zurückzugeben für das Viele, was die Weissen, insbesondere wir Europäer, ihnen über die Jahrhunderte hinweg und bis heute genommen haben. Und ihre Antwort darauf war, uns noch mehr zu beschenken. Was für eine innere Grösse diese Menschen doch haben,  unsere Geste nicht nur einfach so anzunehmen, sondern auch aus dem offenen Herzen zu geben?

Im Anschluss an das Konzert wurde ich aufgefordert, einige Worte an das Orchester zu richten. Mein Herz begann wild zu klopfen. Ich, eine nicht wirklich geübte Rednerin. Und das alles noch auf französisch.....oje! Gleichzeitig fühlte ich eine aufsteigende Kraft in meinem Körper und Geist. Ich spürte die Chance und das Geschenk, die Möglichkeit zu haben, aus dem Herzen zu diesen wunderbaren Menschen zu sprechen und mich für Ihre Begeisterung und Hingabe an die Musik zu bedanken. Sie haben uns damit reich beschenkt. Zum ersten Mal auf dieser Friedensreise wurde mir dabei bewusst, wie wichtig es ist, die schlimmen Geschehnisse der Vergangenheit und Gegenwart, die weiterhin andauernde  Ausbeutung von Menschen und Land, diese grosse Schuld der Weissen in Worte zu fassen und  um Vergebung zu bitten. Für mich war dies ein bewegendes Schlüsselerlebnis. Ich durfte erfahren, wie während dem Sprechen die vielen Herzen im gemeinsamen grossen Herzen aufgingen. Auch jetzt beim Schreiben fliessen wieder die Tränen. Es ist Gnade, dass dies geschehen durfte!
Auch das Fernsehen war da. Ich gab ihnen gerne ein Interview, erfüllt wie ich war, vom unerwarteten Segen, der im Geschenk dieses einmaligen Konzertabends lag.

Und jetzt wie weiter..?

Der Kontakt wird weitergehen. Wir sind dabei, im Musikhaus Jecklin für dieses Orchester zu sammeln. Wer weiss, wohin wir geführt werden. Ich bin unendlich dankbar, dass ich diese unvergesslichen und berührenden Momente erleben durfte, welche sich ganz tief in mein Herz gebrannt haben.
Matondo mengi! (Vielen Dank!)

Mo Gehrig, Geigenbauerin

Kinshasa, 18. November 2014

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