Die Sklaven Gedenkstätte in Matadi

von Zen Zentrum (Kommentare: 0)

Am Vortag waren wir mit dem öffentlichen Bus aus Kinshasa in Matadi angekommen; die achtstündige Fahrt bleibt als besonderes Erlebnis intensiver Tuchfühlung mit dem Land und seinen Besonderheiten in unserer Erinnerung. Matadi ist der am Kongofluss vom Meer her höchste, per Schiff erreichbare Hafen; weiter oben hindert eine Reihe von Katarakten die Weiterfahrt auf dem Fluss über eine längere Strecke. Bereits nach der Ankunft der Portugiesen, Ende des 15. Jhdt., wurde der Hafen als Umschlagplatz genutzt. Grösste Bedeutung erhielt er nach der Besitznahme des Kongobeckens durch den belgischen König, Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis zum Bau der 1898 fertig gestellten Eisenbahnverbindung Matadi-Kinshasa, wurden die Früchte der Ausbeutung durch die Kolonialisten – Elfenbein, später Kautschuk – sowie das Material für den Bau der Bahnlinie durch Kolonnen von Sklaven transportiert. Hunderte starben an Erschöpfung und Hunger.

Am Denkmal für diese Opfer, etwas ausserhalb der Stadt, kurz nach Anfang des Karawanenpfads, fanden wir uns, zusammen mit einigen lokalen Begleitern am Donnerstagmorgen. Das malerisch, im Tal eines Nebenflusses und nahe der ersten Station der alten Eisenbahn gelegene Monument ist um eine aufrechte Gestalt beraubt; Metalldiebe haben sie über den Füssen abgesägt. Irgendwie gehört das mit zur Situation, der ein grosser Mangobaum seine besondere Atmosphäre und willkommenen Schatten unter der heissen Sonne verleiht.

Heilungsmeditation

Aus der Stille der Betrachtung heraus fühlte ich mich überrascht und gefordert, als Anna Gamma mich einlud, die Lichtmeditation an diesem geschichtsträchtigen Ort anzuleiten. Der Anfang war gleich klar: Die Verbindung in die Vertikale, aus dem Zentrum des Planeten bis in die Unendlichkeit, wo wir uns das Herz des Kosmos in seiner Liebe und Weisheit vorstellen; die Verbindung unserer Herzen lag ebenso auf der Hand. Dann tauchte vor meinem inneren Auge aus dem Nichts das lebendige Bild eines Systems auf: Europa am einen Ende, mit den ersten gummibereiften Autos, die weicher liefen und eine ungeheure Faszination auf die Menschen ausübten. Eine rasch steigende Nachfrage nach Kautschuk war die Folge. Am äussersten anderen Ende die kongolesischen Dörfer, die, um der Nachfrage zu genügen, mit strengen Lieferquoten belastet wurden, unter Drohung mit Tod, Vergewaltigung oder abgehackten Händen. Dazwischen die Mittler, die auf dem Buckel der wehrlosen Dorfbewohner den grösstmöglichen Gewinn an dem aufkommenden Geschäft einsteckten. Wir spürten den Schmerz aus diesem System des Missbrauchs, wie er auch tief im Boden verankert war, atmeten ihn durch das Herz ein, mit der Vorstellung, unbedingte Liebe aus dem Urgrund des Seins zurück zu atmen. Wir baten um den sternenbesetzten, tiefblauen Schutzmantel Marias, der Mutter Jesu. Dann erschien ein neues Bild. Gegenwart. Das System, nach dem im Hoch-Katanga das kostbare Coltan unter menschenverachtenden, den Zwischenhändlern maximalen Gewinn verheissenden Bedingungen abgebaut wird; am anderen Ende wir alle, deren Handys ohne das seltene Metall nicht laufen würden, und die wir uns nichts dabei denken schnell zum je neuesten Modell zu greifen, natürlich zum günstigsten Preis. Auch hier wieder: Den auftauchenden Schmerz durchs Herz annehmen und einatmen; unbedingte Liebe zurück atmen. Das bereitet, vor allem zu Anfang viel Schmerz, bis dann nach und nach die Gegenwart der unendlichen Liebe, in der wir uns geborgen fühlen, überhandnimmt. Schliesslich dann die Bitte nach dem Entstehen einer grossen Lichtsäule in unserer Mitte, den Mittelpunkt unseres Planeten verbindend mit den subtilsten Bereichen von Liebe und Weisheit in der Unendlichkeit. Möge sie auch nach unserem Fortgehen weiter strahlen und heilen!

Versöhnung ist möglich über Jahrhunderte hinweg

Wie wir die Augen wieder öffneten und uns umsahen, nahmen wir, wie aus dem Erdboden aufgetaucht, eine Gruppe von Pilgern wahr. Ihr Anführer, an seinem langen Pilgerstab erkennbar, erklärte uns, dass sie alle einer (christlichen) „Église des Noires“ angehörten. Es ergab sich ein stiller Austausch in der gemeinsamen Absicht des Besuches: tief bewegender Austausch von Blicken, in vielfach tränenglänzende Augen. Die Einheit hinter der Verschiedenheit von Herkunft und Kultur war mit Händen zu erspüren.

Dann – weiteres „Wunder“ – tauchte der nahe wohnende Bauer mit einer Schale wilder Mangos vom grossen Schattenbaum auf: Reif und köstlich schmeckend, ein spontan und formlos zelebriertes „Abendmahl“ zur Mittagszeit, herzenstief verbindend mit dem Ort, seiner Geschichte und Gegenwart, den anwesenden Afrikanern als Vertreter des geknechteten kongolesischen Volkes. Und spontan erschient das Bedürfnis, uns bei ihnen stellvertretend für all‘ die Schandtaten und Missbräuche der „Weissen“ zu entschuldigen. Noch einmal wandelte und vertiefte sich das gemeinsame Feld!

Augenblicke der Gnade, die wir nie vergessen werden!

Hans Jecklin

Donnerstag, 20. November, Matadi, Demokratische Republik Kongo

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